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Killesberghöhe Magazin

E s ist Samstag. Und es ist sonnig. Um genau 10.15 Uhr an einem Tag im Frühling. Man könnte zu Hause frühstücken: Brötchen vom Bäcker, Marmelade von Mama, Jogginghose vom allerletzten. Rund 60 Menschen der Schublade „Schön und reich“, tatsächlich oder vermeintlich, denken nicht so und sitzen „beim Scholz“. Da sitzen sie auf der Sonnenseite wie einst am Markt- platz, jetzt Richtung Grüne Fuge und halten wintermüde, sommer­ geschminkte oder solariumgetoastete, manchmal auch büroblasse Gesichter in die Frühlingssonne. Nicht lange, denn vier emsige, blau beschürzte Servicegeister fragen „Was darf’s denn sein?“ Und das darf viel – von marmeladesüß bis speckpikant bietet die Frühstücks- karte, pardon, Le petit déjeuner wie’s hier vornehm französisch heißt, so gut wie alles, was aus einem Samstagmorgen schon einen Sonntag werden lässt. Drei Ladies am Nebentisch, so blond wie blauäugig, wollen nur „Latte“. Nimmt man davon zu oder ab oder ab und zu mal dies oder das? Egal, wir bestellen erst einmal frisch gepressten Oran- gensaft. Danach den „Toast Madame“, wenn auch für Monsieur: Bio-Rührei mit Lachs. Das ist Rührei von glücklichen Hühnern und Lachs, der sich freiwillig an den Haken hängte. Die Mit-Esserin lässt es deftiger angehen und das „Parktablett“ kommen – könnte ja eine Hungersnot kommen. Zweierlei Schinken, Coppa, Käse, Marmelade, Müsli und Brot machen sich breit; die Frühstücksfreundin hoffentlich nicht. Da passen gut und gerne noch zwei Eier im Glas und Milch- kaffee in swimmingpoolgroßen Schalen dazu. Denken sich auch die vier jungen Ehepaare mit ihren fernsehtauglichen Kids nebenan und bestellen, bis der Serviererin die Schweißperlen auf die Stirn treten. Derweil blubbern die Champagnerperlen in den Gläsern des schon sehr älteren Ehepaares hinter uns. Man gönnt sich ja sonst nix und verträgt vielleicht auch nicht mehr so viel. Na, Hauptsache, die Rech- nung. Denn die reicht je nach Appetit von toastdünn bis lukulllustig. Und beinhaltet auch ganz nebenbei ganz großes Kino am Killesberg: Nachbarn, Neureichs, ’Neig’schmeckte, die sich am Wochenende sehen und gesehen werden wollen – Killesberg trifft Kaltental, Stuttgart Nord klönt mit Besuch aus Hamburg-Harvestehude, Istanbul setzt sich zu Ilsfeld. Samstagmorgen bei SCHOLZ am Park ist alles möglich. Es ist Samstagmittag, um 14 Uhr des selben Frühlingstags. ­Draußen sitzen die letzten 20 Frühstücker der Spätschicht, drinnen die pünktlichen Mittagsgäste, zu denen sich ständig neue gesellen. „Haben Sie reserviert?“ Haben wir! Andere nicht, Pech gehabt. Glück gehabt haben die vier trotz Wochenende nadelgestreiften Herren am Nebentisch: Sie werden vor uns bedient. So anscheinend uneinig lebhaft sie diskutieren, so einig fällt ihre Speisenwahl aus – viermal mehrstöckige Essgebilde aus Brötchen, Salat, Bacon, Käse, Fleisch, Salat, Brötchen. „Killesburger“ nennt sich die appetitliche Hochsta- pelei. Zum Tiefflug verholfen hätte der junge, etwas zu wieselflinke Kellner beinahe unseren “Funky Chicken“, halbe Freilandhähnchen, frei nach SCHOLZ aromatisch gewürzt. Der kleine Stolperstep des Servicemitarbeiters hat immerhin bewirkt, dass sich der etwa vier­ jährige Junge nebenan seine „Kalbsbratwurst vom Lavagrill“ an die Backe statt in den staunend offenen Mund schiebt und dafür seiner schicken Thirtysomething-Mami das hausgemachte Ketchup auf den designergemachten Rock kleckst. Draußen nehmen die ersten Nach- mittagskaffee- und Kuchen-Gäste Platz, drinnen die letzten Gläser Wein vor sattfröhlichen Gesichtern. Ein ebenfalls letzter Schluck aus dem puppig-kleinen Bierkrug, die Rechnung bitte und tschüss. Jetzt ist es 20.30 Uhr an diesem Samstag im Frühling. Die Son- ne ist weg, neue Gäste sind da. Nicht mehr ganz aus dem Häuschen, auf der Terrasse, sondern im Restaurant, das mit schätzungsweise 80 Gästen gut belegt ist. Ja, wir haben reserviert! Ohne scheint hier, besonders am Wochenende, ja eher etwas für Glücksritter zu sein. Mit ritterlicher Grandezza begrüßt uns Restaurantleiter Lang und führt uns zu unserem Tisch. Fast ein Stammtisch: kreisrund, am Ende des Restaurants, mit freiem Blick auf die Gäste vor uns und den überdi- mensionalen Flaschen-Kronleuchter über uns. Was nehmen wir denn? Einen Aperitif und dann sehen wir weiter. Wir sehen uns um. Da drei kichernde, in ihre Smartphones tippende Damen um die 30. So ganz nebenbei essen sie dekorative Salate, die bestimmt nicht so ganz 38 REPORTAGE

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